Warum ich lange gedacht habe, dass ich falsch bin?

Es gibt Momente im Leben, in denen man sich fragt: Bin ich genug? Diese Frage begleitete mich über Jahre hinweg und beeinflusste mein Selbstbild. Doch irgendwann erkannte ich, dass die Antwort nicht in den Erwartungen anderer liegt, sondern in meiner eigenen Wahrnehmung von mir selbst.

Ich spreche offen über diese Zeit, weil sie für mich einen Wendepunkt darstellte—den Moment, in dem ich den Mut fasste, mir Hilfe zu holen. Es war eine Entscheidung, die mein Leben veränderte. Umso mehr hat es mich gefreut, als Daniela Brandl zur Blogparade aufrief, um die Frage zu beantworten: Warum ich lange gedacht habe, dass ich falsch bin?

Du bist nicht normal!

Seit meiner Kindheit war ich ein stilles, nachdenkliches Mädchen—oft zurückhaltend und mit dem Gefühl, nicht ganz dazuzugehören. Worte wie „Das kannst du nicht“, „Du bist nicht normal“, „Du bist eine Spaßbremse“ begleiteten mich und prägten lange Zeit mein Selbstbild.

In einer Welt, die Kontaktfreudigkeit, Spontaneität und Selbstbewusstsein feiert, fühlte ich mich fehl am Platz. Extrovertierte Eigenschaften wirkten auf mich nicht wie Energiequellen, sondern eher wie etwas, das mich erschöpfte. Statt mich zu öffnen, zog ich mich zurück. Statt gesehen zu werden, wurde ich oft übersehen. Und jedes Mal bestätigte sich die leise Stimme in meinem Kopf, die mir einredete, nicht „normal“ zu sein.

Der Weg zur Veränderung

In den letzten Jahren habe ich eine tiefgreifende Veränderung in mir gespürt. Ständige Müdigkeit und fehlende Energie machten es mir schwer, den Alltag zu bewältigen. Allein der Gedanke an die Arbeit löste Angst in mir aus, und nach und nach zog ich mich immer weiter aus sozialen Kontakten zurück. Körperliche Schmerzen raubten mir den Schlaf, und ich wusste: So konnte es nicht weitergehen.

Ich brauchte Hilfe, doch die Hemmschwelle war groß. Gedanken wie „Mich nimmt eh keiner ernst“, „So schlimm kann das doch nicht sein“ oder „Das wird schon wieder“ hielten mich lange davon ab, aktiv zu werden. Doch die Symptome verschwanden nicht. Irgendwann fasste ich all meinen Mut zusammen und machte mich auf die Suche nach Unterstützung.

Die nächste Herausforderung war es, jemanden zu finden, der mir helfen konnte. Der Kontakt zu einer Praxis fiel mir schwer, denn eines meiner größten Probleme war das Gefühl, nicht gut genug für andere zu sein. Immer wieder musste ich mir selbst sagen: „Du musst etwas ändern! Geh den nächsten Schritt!“

Die Suche nach einem Therapeuten oder einer Therapeutin kann einschüchternd sein, doch es lohnt sich, dranzubleiben. Ich kannte keine Praxis in meiner Nähe und hatte niemanden, den ich nach Erfahrungen fragen konnte. Also begann ich, im Internet zu recherchieren, verschiedene Angebote zu vergleichen und herauszufinden, was mir wichtig war. Schließlich fand ich eine passende Praxis und wurde zum Erstgespräch eingeladen.

Dieses erste Treffen war entscheidend. Der Therapeut und ich lernten uns kennen, und ich spürte schnell, wie wichtig Vertrauen für mich war. Mir war klar: Wenn ich keine Möglichkeit sehe, dieses Vertrauen aufzubauen, würde ich weitersuchen.

Nach einer kurzen Vorstellrunde bat mich mein Therapeut, meine Geschichte zu erzählen. Ich sprach über meine Ängste und Sorgen, und im Gespräch merkte ich, wie aufmerksam und mitfühlend er mir zuhörte. Durch gezielte Fragen öffnete ich mich und sprach über Erlebnisse, die ich sonst immer für mich behalten hatte. Dass er es schaffte, dieses Vertrauen in mir zu wecken, war einer der Gründe, warum ich entschied: Hier bleibe ich.

Mein Weg zur Selbstakzeptanz

Während meiner Therapie habe ich viel über mich gelernt—über meine Vergangenheit, meine inneren Überzeugungen und die Kraft, die in mir steckt. Erst durch das bewusste Auflisten der Erlebnisse, die mich negativ geprägt haben, wurde mir klar, wie viel ich bereits durchlebt habe. Mobbing in meiner Kindheit, Gewalt in einer früheren Ehe, Fehlgeburten und die ständige Suche nach Akzeptanz und Liebe—das alles hat mich geformt.

Mit der Unterstützung meines Therapeuten und gezielten Aufgaben habe ich gelernt, über diese Erfahrungen zu sprechen und sie zu verarbeiten. Schritt für Schritt begann ich, mich selbst wahrzunehmen und anzunehmen.

Ein wichtiger Bestandteil meines Heilungsprozesses ist die Spiegelübung. Jeden Tag sage ich mir bewusst: Ich bin gut so, wie ich bin. Ich trainiere meine Denkweise, indem ich alte, belastende Glaubenssätze umwandle. Früher dachte ich, ich sei nichts wert. Heute weiß ich, dass ich viel Wertvolles erschaffe und mich auf neue, positive Erfahrungen freuen kann.

Doch Heilung ist ein fortlaufender Prozess. Die Erfolge, die ich erreicht habe, kann ich nur bewahren, wenn ich weiterhin an mir arbeite—auch nach der Therapie.

Mein neuer Weg: Selbstbewusst und voller Leidenschaft

Nach meiner Therapie hat sich vieles verändert—vor allem ich selbst. Ich bin selbstbewusster geworden und begegne mir mit mehr Liebe und Wertschätzung. Endlich lebe ich meine Leidenschaft für das Schreiben und habe meinen eigenen Blog gestartet. Dabei durfte ich viele wunderbare Menschen kennenlernen, die mich inspirieren und meinen neuen Weg mit mir gehen.

Auch beruflich habe ich mit 50 Jahren eine Veränderung gewagt—und es war die richtige Entscheidung. Heute bin ich glücklich in meinen Aufgaben und spüre, dass ich angekommen bin.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse auf diesem Weg: Es lohnt sich, in Krisenzeiten Hilfe zu holen. Niemand muss alles allein bewältigen. Therapie ist kein Zeichen von Schwäche oder Verrücktheit—im Gegenteil! Sie zeigt, dass man den Mut hat, sich seinen Ängsten zu stellen und aktiv an seiner Heilung zu arbeiten.

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