Kapitel 1: Frederike findet eine Freundin

Frederike war acht Jahre alt und ganz neu in der Klasse 3b. Sie hatte runde Pausbacken, ein kleines Bäuchlein und trug am liebsten ihre bequemen bunten Pullover. Manchmal nannten Leute das „pummelig“ – für Frederike war das einfach sie selbst. Doch leider gab es Kinder, die das nicht so freundlich sahen.

Frederike war außerdem ein Mädchen, das gerne beobachtete. Das lag daran, dass sie Dinge sehr stark wahrnahm – viel stärker als die meisten anderen Kinder. Wenn jemand lachte, konnte sie sofort spüren, ob es ein fröhliches Lachen war oder ein spöttisches. Wenn jemand traurig schaute, merkte sie das sofort, auch wenn alle anderen es übersahen. Manchmal war das schön, weil sie Gefühle so gut erkennen konnte. Aber manchmal war es auch schwer, weil ihr Herz von gemeinen Worten noch lange weh tat.

In der Pause fasste sie Mut. Sie ging zu Maria, die gerade mit zwei anderen Gummitwist sprang.
„Darf ich mitmachen?“, fragte Frederike vorsichtig.

Maria blieb stehen, verschränkte die Arme und sah Frederike von oben bis unten an.
„Mit dir spiele ich nicht!“, rief sie laut. „Du bist viel zu dick. Dicke Kinder können sowieso nicht richtig rennen. Und bestimmt bist du auch zu langsam und zu blöd!“

Die anderen Mädchen kicherten.

Frederike spürte, wie ihr Herz schwer wurde. Sie wusste, dass das nicht stimmte – dicke Kinder können genauso schnell sein, genauso schlau, genauso fröhlich wie alle anderen. Aber die gemeinen Worte taten weh, und Frederike wollte am liebsten unsichtbar werden. Leise ging sie zur Bank am Rand des Schulhofs und setzte sich. Sie schaute zu, wie die anderen spielten, und dachte traurig:
Vielleicht bin ich wirklich nicht normal. Vielleicht sollte ich gar nicht mehr in die Schule kommen.

Die nächsten Tage blieben genauso still. Frederike ging in die Klasse, hörte zu, malte in ihr Heft – aber niemand sprach mit ihr.

Bis eines Mittags plötzlich ein Mädchen neben ihrer Bank stand.
„Hallo“, sagte das Mädchen freundlich. „Ich heiße Gabi. Willst du mit mir Karten spielen? Ich hab ein neues Spiel dabei.“

Frederike blinzelte überrascht. „Mit mir?“ fragte sie leise.

„Na klar!“, lachte Gabi. „Ich spiele doch nicht allein.“

Zum ersten Mal seit langer Zeit musste Frederike lächeln. Zögerlich nickte sie und setzte sich zu Gabi. Sie spielten und redeten – und die Pause verging viel zu schnell.

Ein paar Tage später, als die beiden wieder nebeneinander auf der Bank saßen, fragte Frederike ganz vorsichtig:
„Gabi … warum willst du eigentlich mit mir befreundet sein?“

Gabi legte die Karten zur Seite und schaute sie ernst an. „Weißt du“, sagte sie, „weil du nett bist. Weil du zuhörst. Und weil du so bist, wie du bist. Ich mag dich genau so.“

Frederikes Augen wurden groß. Niemand hatte das jemals so zu ihr gesagt. In ihrem Herzen wurde es warm, als hätte jemand eine kleine Kerze angezündet.

Von da an änderte sich alles. Jeden Tag warteten Frederike und Gabi aufeinander. Sie lachten, erzählten sich Geschichten und hielten zusammen. Wenn Gabi traurig war, hörte Frederike ihr aufmerksam zu. Und wenn Frederike unsicher wurde, nahm Gabi sie einfach an die Hand.

So wurde aus einer einsamen Bankfreundschaft eine richtige Herzensfreundschaft.

Und Frederike spürte: Sie war nicht zu dick und auch nicht zu blöd. Sie war einfach Frederike – sensibel, feinfühlig und eine ganz besondere Freundin. Denn jeder Mensch ist gut, so wie er ist – egal ob dick oder dünn, groß oder klein, leise oder laut.

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